Liebe geht durch den Magen. Und wenn der leer bleibt? Logisch: es entsteht nicht gerade Zuneigung. „Meine Freundin aus dem Iran war in einer deutschen Familie zu Besuch. Als ihre deutschen Gastgeber ihr etwas zu essen angeboten haben, lehnte sie erst ab. Im Iran macht der Gast das traditionell aus Höflichkeit – sogar mehrmals. Der Gastgeber weiß das und bietet immer wieder Erfrischungen an, bis der Gast annimmt. In der deutschen Kultur wird das Nein schneller respektiert, was Gastgeber und Gast meist wissen. Die iranische Freundin bei dem deutschen Gastgeber blieb jedoch hungrig – und enttäuscht von der deutschen Gastfreundschaft.“
Interessiert hören die vier Siebtklässlerinnen und Siebtklässler des Johann-Conrad-Schlaun-Gymnasiums der Sozialpädagogin Elisabeth zu. Sie erfahren, dass diese Befremdung von Migrantinnen und Migranten gegenüber einer neuen Kultur normal ist. Dass sie die zweite der vier Phasen ist, in denen Integration abläuft: 1. Begeisterung, 2. Krise, 3. Anpassung 4. Akzeptanz. Mehr noch: sie finden damit Worte für ihren eigenen Lebensweg, denn Imran, Issa, Uaad und Maria haben entweder selbst die Erfahrung gemacht, aus einem anderen Kulturkreis nach Münster gekommen zu sein, oder haben familiäre Wurzeln in anderen Ländern. Und nicht alle dieser Erfahrungen waren positiv, viele Missverständnisse konnten sie in ihren jungen Biographien schon erleben. Frustration ist ein häufiges Gefühl in dieser Phase der Krise.
Dass diese überwunden werden kann, ist nicht selbstverständlich und es braucht Hilfe dazu. Diese bei Mitschülerinnen und Mitschülern leisten zu können, ist Ziel der Ausbildung zum „Kultur-Übersetzer“ bzw. zur „Kultur-Übersetzerin“, einem Projekt vom Amt für Schule und Weiterbildung und dem Verein „Ethnologie in Schule und Erwachsenenbildung“ (ESE). Die Vier haben freiwillig eine Woche ihrer Ferien geopfert und wurden professionell geschult.
Als Kultur-Buddies, Paten für neu angekommene Schülerinnen und Schüler, wollen die Vier nun an der Schule helfen, dass das Kennenlernen und die Akzeptanz der neuen Kultur müheloser gelingen. Hilfestellung kann auch entscheidend für den Schulerfolg sein: „In meinem Land war es üblich, absolut still zu sein und zu warten, bis der Lehrer einen drannimmt. Hier dagegen muss man sich für eine gute Note regelmäßig beteiligen“, so Uaad aus dem Irak.
Wo ihre persönliche Heimat ist, das haben die Vier übrigens sehr unterschiedlich bewertet. Wie Georg von Oerzen sagte: „Wir sichern uns die Heimat nicht durch den Ort, wo, sondern durch die Art, wie wir leben“ – und mit den Menschen, die uns empfangen, mag man als Kultur-Übersetzerin oder Kultur-Übersetzer ergänzen.