“That’s what it’s all about – a life in peace and dignity.” Treffender hätte Tirza Galpaz das Gespräch mit den Schülerinnen und Schülern des Geschichtskurses (Q2) nicht zusammenfassen können. Gemeinsam mit ihrer Schwester Maya Waldeck und ihrer Cousine Ruth Stein sprach Tirza am Mittwochnachmittag über den Holocaust, das Über- und Weiterleben in ihrer Familie und die Bedeutung des Erinnerns. Tirza lebt heute in Israel. Ihr Vater, Erich Waldeck, besuchte von 1925 bis 1932 die Schlaun-Oberrealschule, das heutige Schlaun-Gymnasium. Am Schlaun hatte Erich Waldeck viele Freunde. Er wurde aber auch Opfer antisemitischer Diskriminierung. So rief ein damaliger Religionslehrer alle Schüler auf, sich von Erich und allen anderen Juden fernzuhalten. 1936 emigrierte Erich Waldeck nach Palästina. In Münster konnte er seine Ausbildung auf Grund der NS-Diktatur nicht beenden. Später lebte er in Montreal, wo er 2007 starb.
Der Zusatzkurs Geschichte hat sich intensiv mit dem Schicksal Erich Waldecks und seiner Familie befasst. In dem Videogespräch mit den Angehörigen wurde deutlich, wie stark die Entrechtung, Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden bis heute das Leben vieler Familien in der ganzen Welt beeinflusst und bewegt. Die Erinnerung an den Holocaust, ein historisch beispielloses Verbrechen, bekommt durch persönliche Erzählungen aus der Opferperspektive eine tiefe, ergreifende und persönliche Dimension. Auch lange nach dem Klingeln blieben die Schülerinnen und Schüler des Kurses noch im Gespräch. Sie werden für die ehemaligen jüdischen Schüler Erich Waldeck, Kurt Julius Goldstein und Erich Steinberg Gedenktafeln gestalten. Die Tafeln sollen im Schulgebäude angebracht werden. Zusätzlich sollen digitale Portraits hinterlegt werden, die die drei Schüler als Persönlichkeiten portraitieren.
Während Ruth Stein aus New York und Maya Waldeck aus Montreal zugeschaltet waren, muss Tirza Galpaz in Israel derzeit mit den Terrorangriffen der Hamas und dem Krieg in Gaza umgehen. Doch gerade weil ein Leben in Frieden und Würde gegenwärtig keine Selbstverständlichkeit mehr ist, waren sich alle Gesprächsteilnehmerinnen und -teilnehmer einig, dass eine Erinnerungskultur für Empathie und Verantwortung umso bedeutsamer ist.
Am Ende erzählte Ruth Stein eine ermutigende Geschichte. So habe ein Juwelier in Münster für ihre Großmutter Henny Waldeck Schmuckstücke verwahrt, um diese vor der Zwangsenteignung und „Arisierung“ durch die Nazis zu beschützen. In den 50er Jahren habe der Juwelier dann Gerda Waldeck, die Tochter von Henny und Mutter von Ruth Stein, ausfindig gemacht und ihr eine wertvolle Brosche in die USA zugesandt. Ruth berichtet, wie ihre Mutter die Brosche unter Tränen ausgepackt habe. Als damals 10jährige konnte Ruth die Emotionalität ihrer Mutter nicht verstehen. Im Gespräch mit dem Geschichtskurs kommen ihr heute selbst die Tränen. Bis in die Gegenwart hat die Brosche als persönlicher Gegenstand Henny Waldecks, die im Mai 1944 in Auschwitz starb, für die Familie Waldeck eine unermessliche Bedeutung.